Ziemlich finstere Aussichten.
Ganz so schlimm ist es nicht, man muss halt lesen und verstehen.
Bürokratische Texte vielleicht auch mehrfach um zu verstehen, auch ich.
Modellflug der Zukunft
Drei Jahre lang wurde eine einheitliche Regelung für den Betrieb von Drohnen und von Flugmodellen diskutiert, in den europäischen Gremien, mit den Mitgliedsländern und mit den Interessenvertretungen. Dann, am 24. Mai 2019, unterschrieb Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die „Durchführungsverordnung (EU) 2019/947 über die Vorschriften und Verfahren für den Betrieb unbemannter Luftfahrzeuge“ (im Folgenden EU-Gesetz 947 genannt). Das Gesetz trat am 1. Juli 2019 in Kraft, die einzelnen Bestimmungen werden nach und nach wirksam. Es geht hier nicht um die Vorschriften allgemein, sondern nur um die Auswirkungen des Gesetzes auf den Modellflug der Zukunft.
Registrierung, „eID“ und Kenntnisnachweis
Alle Piloten von Flugmodellen und Drohnen sollten ursprünglich bereits bis 1. Juli 2020 registriert sein oder sich selbst registrieren lassen. Krisenbedingt wurde der Termin auf Jahresbeginn 2021 verschoben. Wenn die Verbände dann ihre Mitglieder bei den eingerichteten Erfassungsstellen melden und diesen ihre elektronische Identifikationsnummer übermittelt wird, ist EU-Regulierung auch praktisch bei den Modellfliegern angekommen: Die eID muss auf jedem Modell angebracht werden. Sie gilt europaweit, und soll natürlich dazu dienen, den Piloten bzw. den Besitzer des Modells zu identifizieren – ob bei einem Unfall, wenn das Modell verloren wurde oder bei groben Verstößen gegen das Luftrecht. Ohne diese Nummer gibt es ab 2021 keinen rechtskonformen Modell- und Drohnenflug.
Auch der Kenntnisnachweis muss bis 1. Juli 2021 den neuen gesetzlichen Bestimmungen angepasst werden – so verlautet Art. 21 (2) des EU-Gesetzes 947. Die Frage für den Modellflug heißt: Liegen bis dahin die zu notwendigen Änderungen der gesetzlichen Vorgaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vor? Ohne aktuelle Gesetze und Verordnungen kein aktueller Kenntnisnachweis.
Flugmodelle sind keine Drohnen
Im Großen und Ganzen dürften sich die nationalen Verordnungen und Gesetze, nach denen wir uns beim Modellfliegen in Zukunft zu richten haben, wenig von den heutigen Bestimmungen unterscheiden. Hintergrund dafür ist ein Passus in der europäischen Grundverordnung, die das EU-Gesetz 947 maßgeblich beeinflusste. Gestützt durch EU-Parlament, Europäischen Rat und EU-Kommission soll dieser Passus dem klassischen Modellflug Bestandsschutz garantieren. Der „Erwägungsgrund“ fand seinen Platz auf Seite 2 unter Punkt (27) des Gesetzestextes und heißt in der offiziellen Übersetzung:
„Nachdem Flugmodelle als UAS gelten und dem Flugmodellbetrieb in Vereinen und Vereinigungen ein gutes Sicherheitsniveau bescheinigt wird, sollte es unter Berücksichtigung der in den Mitgliedstaaten vorhandenen bewährten Verfahren einen nahtlosen Übergang von den verschiedenen nationalen Systemen zum neuen Rechtsrahmen der Union geben, damit Flugmodell-Vereine und -Vereinigungen ihren Betrieb unverändert fortführen können.“
„
Nachdem Flugmodelle als UAS gelten“ zielt darauf, dass das Gesetz grundsätzlich nicht zwischen den verschiedenen „unbemannten Luftfahrzeugen“ (Unmanned Aircraft Systems, UAS) unterscheidet. Der Modellflug sollte dennoch nicht in den Strudel sachfremder Bestimmungen für alle denkbare Drohnentechnik wie deren möglichen Einsatz in dicht bebauten Städten gezogen werden. Er sollte nach dem Willen der europäischen Politik seine bisherigen Freiräume behalten. Bedingung freilich, dass er „im Rahmen“ von Vereinen und Verbänden betrieben wird. Damit sei ein gutes Sicherheitsniveau gewährleistet, so hatten EU-Gremien argumentiert.
Vereine und Verbände in Art. 16 (1)
Diese Vereine und Verbände müssen allerdings ihre Ansprüche anmelden.
„Auf Antrag eines Flugmodell-Vereins oder einer Flugmodell-Vereinigung kann die zuständige Behörde eine Genehmigung für den UAS-Betrieb im Rahmen des Flugmodell-Vereins oder der Flugmodell-Vereinigung erteilen.“
Die zitierte offizielle deutsche Übersetzung des Gesetzes spricht von „
Vereinen und Vereinigungen“ statt von Vereinen und Verbänden, gemeint ist dasselbe. Sie können bei der zuständigen Behörde eine Genehmigung für den Modellflugbetrieb beantragen. Und diese „
kann“ diese Genehmigung erteilen – Artikel 16 (1).
Das EU-Recht verpflichtet die Mitgliedsstaaten, eine Behörde zu benennen, die für Modellflug-Betriebsgenehmigungen zuständig ist. Nur ist diese Behörde nicht dazu verpflichtet, diese Genehmigung auch zu erteilen – egal welcher Verein sie beantragt. Das mag man bedauern, doch man stelle sich vor, etliche hundert Klubs würden einen selbständigen Modellflugbetrieb beanspruchen. Die Behörde müsste dann die Antragsteller wie deren Praxis überprüfen, was praktisch unmöglich wäre. Das Bundesministerium will den Modellflugbetrieb nach EU-Recht darum ausschließlich in der Verantwortung eines leistungsfähigen Verbandes genehmigen. Dessen gesamte Struktur soll das Sicherheitsniveau garantieren, vom dem im Erwägungsgrund 27 des Gesetzes die Rede ist. Solche Verbände gibt es in Deutschland in Gestalt des DMFV und des DAeC. Vereine rund um ein Versicherungsangebot erfüllen die Voraussetzungen nicht, das hat das Ministerium bereits erklärt.
Was bedeutet „im Rahmen von“?
Für den einzelnen Modellflieger, der jetzt wie zukünftig „im Rahmen“ eines Verbandes seine Modelle steuert, genügt oft heute schon nicht, einfach nur Mitglied zu sein und eine Versicherung zu bezahlen. Derzeit wird bereits ein Kenntnisnachweis verlangt, sofern das Modell schwerer als 2 kg wiegt und über 100 m Höhe geflogen werden soll. Aufstiegserlaubnis und Platzordnung fordern zudem vielfach diesen Kenntnisnachweis von jedem, der sein Modell starten will – egal wie schwer es ist und wie hoch er fliegen will.
Wird in Zukunft der Betrieb nach Artikel 16 des EU-Gesetzes bewilligt, könnte ein Kenntnisnachweis allgemeine Pflicht werden.
„Fernpiloten, die im Rahmen von Flugmodell-Vereinen oder -Vereinigungen UAS betreiben, müssen den Mindestanforderungen an die Kompetenz genügen, die in der nach Artikel 16 erteilten Genehmigung festgelegt sind.“
(Artikel 8 (3) EU-Gesetz 947). Um realistisch zu sein: Ohne diese Auflage dürfte wohl keine nationale Behörde die Genehmigung nach EU-Recht erteilen. Wie die Kompetenzprüfung aussieht, lässt sich nur ahnen; für den Modellflugbetrieb in der europäischen Kategorie „Offen“ verlangt das Gesetz einen Test mit dem Minimum von 40 Fragen.
Damit ist noch nicht geklärt, wie ein Verein mit Gästen umgeht, ob als Gastflieger oder bei einem Wettbewerb. Im Leitfaden der EASA heißt es S. 132 (GM1 Article 16)
„Die Genehmigung [durch eine nationale Behörde]
kann auch den Betrieb durch Personen umfassen, die sich vorübergehend an den Aktivitäten des Clubs oder Verbandes beteiligen (z.B. zur Freizeitgestaltung während eines Urlaubs oder für einen Wettbewerb), sofern die vom Club oder Verband vorgesehenen Verfahren für die zuständige Behörde akzeptable Bedingungen festlegen.“ Es schließt sich ja die spannende Frage an, ob die Kompetenzprüfung eines anderen EU-Mitgliedstaates akzeptiert wird! Derzeit ist das in etlichen europäischen Ländern nicht der Fall, außer man fährt zu Wettbewerben. Deren Regeln umfassen praktisch immer denkbare Sicherheitsfragen, so dass sich hoffentlich spezielle Kompetenzprüfungen für solche Veranstaltungen auch in Zukunft erübrigen.
Wo, auf welchem Platz „im Rahmen eines Vereins oder Verbandes“ geflogen wird, steht nicht im Gesetz. Es geht davon aus, dass es keine für den UAS-Betrieb gesperrte Zonen sind. Spezielle „Modellflugplätze“ (englisch „model airfields“) werden dagegen nirgends erwähnt. Der Schluss ist erlaubt, dass nach EU-Recht „im Rahmen eines Vereins oder einer Vereinigung“ überall da geflogen werden darf, wo der Modellflug nicht eingeschränkt oder verboten ist. Nicht der Ort ist wichtig, sondern die Zugehörigkeit zu einem Verband mit Betriebsgenehmigung
Modellflug in der Kategorie „Offen“
Den EU-Gremien war klar, dass das allgemeine Bedürfnis, Drohnen oder auch Flugmodelle fliegen zu lassen, nicht allein über die Verbände zu steuern ist. Die beauftragte EASA (Europäische Agentur für Luftsicherheit) hatte darum ein Konzept für eine Kategorie „Offen“ entwickelt. Eine EASA-Tabelle – sie ist nicht mehr Bestandteil der offiziellen Gesetzestexte und ihres Begleitmaterials – fasst die Bedingungen der Offenen Kategorie zusammen.
Kategorie „Offen“ Übersichtstabelle
Diese Bedingungen versuchen, das Gefährdungspotential abzuschätzen, das vor allem von Drohnen ausgeht, die in der Nähe von Menschen fliegen. Die Bestimmungen gelten europaweit.
Für den Modellflug wichtig ist die Klasse „
Privat hergestellt“, unter der Modelle von bis zu 25 kg im Rahmen der Unterkategorie A3 (Flug fern von Personen) geflogen werden dürfen. Das ist zwar für große Modelle keine gute Idee, da die Kategorie „Offen“ die Flughöhe kategorisch auf 120 m über Grund beschränkt (AGL, above ground level). Aber grundsätzlich wird so Modellfliegen auf Wiesen und Feldern frei gegeben, und zwar europaweit. Mit
„Privat hergestellt“ sind ganz normale Flugmodelle gemeint, wie auch der Verzicht auf eine elektronische Identifikation während des Fluges sowie sonstige technische Mindestanforderungen zeigt. Die Definition 16 in Artikel 2 des EU-Gesetzes 947 dagegen kann missverstanden werden: Privat hergestellt ist
„ein UAS, das vom Erbauer für seine eigenen Zwecke zusammengebaut oder hergestellt wurde, mit Ausnahme von UAS, die aus Bauteilen zusammengesetzt werden, die als Fertigbausatz in Verkehr gebracht werden“. In der Diskussion mit der EASA in Köln hatten deren Vertreter erklärt, damit seien Fertigbausätze für UAS gemeint, keine vorgefertigten Flugmodelle, die noch mit der Steuerung auszustatten sind.
Der Unterschied zur Klasse C4 in der Kategorie „Offen“ ist gering – nur dass in C4 daran gedacht ist, das UAS könne einfach nach Herstellerangaben gesteuert werden. Die „Delegierte Verordnung (EU) 2019/945“ widmet dieser Klasse auf Seite 1 den Erwägungsgrund 4:
„Mit Blick auf das gute Sicherheitsniveau, das bei auf dem Markt bereits bereitgestellten Flugmodellen erreicht wurde, sollte zum Nutzen von Flugmodellbetreibern die Klasse C4 für UAS geschaffen werden, die keinen unverhältnismäßigen technischen Anforderungen unterliegen sollten.“
Schließlich wird auch auf das Einhalten der 120 m
über Grund durch 120 m
„über dem Fernpiloten“ ersetzt, sofern das
„unbemannte Segelflugzeug“ unter 10 kg wiegt. Das Modell darf beliebig hoch über Grund fliegen, nur den Piloten nicht mehr als 120 m übersteigen (EU-Gesetz 947, UAS Open.010 Allgemeine Bestimmungen (4)). Damit wird das Fliegen im Hangaufwind in der Kategorie „offen“ auch mit großen Modellen nach EU-Recht möglich.
Was ein „
Unbemanntes Segelflugzeug “ ist, wird im EU-Gesetz 947 unter „Definitionen 23“ erklärt.
„Es kann für den Notfall mit einem Motor ausgerüstet werden,“ heißt es da. Dieser Motor ist im ursprünglichen, englischen Text ein „
engine“, und kann damit auch ein Verbrenner sein (Elektromotor englisch „motor“). Das bedeutet, dass im Rahmen der Kategorie „Offen“ überall in Europa unabhängig von Verbänden mit wenigen praktischen Einschränkungen geflogen werden darf. Für das jeweilige Gelände, für die Region oder für den Modellflug allgemein können aber Beschränkungen gelten, die einzuhalten sind. Weitere Bedingungen für das Fliegen von Modellen
über 250 g im Rahmen der Kategorie „Offen“ sind Registrierung des Piloten, Online-Training und Online-Test. Der Test muss aus mindestens 40 Fragen bestehen; der derzeitige DMFV-Kenntnisnachweis mit 26 Fragen kommt diesem immerhin nahe.
Bei Modellen
unter 250 g (Klasse C0) dagegen erlaubt die Kategorie „Offen“ völlige Freiheit. Der Betreiber muss
nicht registriert sein, muss kein Mindestalter haben, darf einzelne Personen überfliegen, sein Modell darf bis zu 19 m/ sec schnell sein. 19 m/sec sind 68 km/h. Der DMFV kann nur empfehlen, diese Freiheit nicht zu missbrauchen. Denn der Betreiber hat zwar keine Auflagen zu erfüllen, ist darum aber nicht aus der Haftung entlassen, wenn es zu einem Schaden, gar zu einem Personenschaden kommt.
Mindestalter
Nach der Logik des Gesetzes kann nur in den reglementierten Kategorien ein gesetzliches Mindestalter für das Steuern von UAS für ganz Europa festgelegt werden:
„Fernpiloten, die UAS in der ‚offenen‘ und ‚speziellen‘ Kategorie betreiben, müssen ein Mindestalter von 16 Jahren haben.“ (EU-Gesetz 947 Art. 9 (1). Der Artikel 9 erlaubt den Mitgliedstaaten, das Mindestalter für die beiden europäischen Kategorien zu senken – um vier Jahre in der „offenen“ und um zwei Jahre in der „speziellen“ (Art. 9 (3) a) und b). Diese Erlaubnis gilt dann jeweils nur für das Land, das so entscheidet.
Anders in den nationalen Genehmigungen für die Modellflugverbände. Hier wird kein Mindestalter der Piloten vom Gesetz vorgeschrieben, sondern von der jeweiligen nationalen Behörde zusammen mit den anderen Bedingungen der Betriebserlaubnis geregelt. Dabei könnte sich diese auch am EU-Gesetz 947 Art. 9 (2) c) für die „offene“ und die „spezielle“ Kategorie orientieren: Kein Mindestalter für Piloten, die unter der direkten Aufsicht eines qualifizierten Piloten von mindestens 16 Jahren fliegen.