@BlackbirdXL1 : Also Hermann, Geschichten von früher.
Damals, als ich anfing als Jugendlicher… ich war jung und hatte kein Geld.
Mein erstes Segelboot hatte nur ein Ruderservo. Das fährt zwar nicht effizient, aber es fährt.
Wenn der Wind genau von hinten kommt, macht man die Segel ganz auf. Der Wind schiebt das Boot platt vor sich her.
Die Segel stehen dann 90 Grad zur Mittelachse des Bootes.
Wenn der Wind genau von der Seite kommt, stehen die Segel bei 45 Grad. Beide Segel generieren Kraft nach schräg vorne. Dein Kiel, Ruder und Rumpf bremsen den seitlichen Anteil der Kraft und Dein Boot fährt vorwärts.
Die Spreu trennt sich vom Weizen, wenn der Wind von vorne kommt. Genau von vorne funktioniert nicht, aber schräg von vorne schon.
Die Segel sind jetzt ganz dicht, nur ein paar Grad offen zur Mittelachse. Beide Segel nutzen jetzt das Profil, wie ein Flügel. Auf der Außenseite bildet sich Unterdruck, auf der Innenseite Überdruck. Zwischen Vorsegel und Großsegel am Mast vorbei bildet sich eine Düse. Je ausgefuchster die Segel sind, desto “höher“ läuft ein Boot am Wind. Ein plattes Segel aus Bettlaken kann nix, ein fein 3D profiliertes mehrbahniges Segel aus stabiler Folie strömt richtig gut, ist aber sehr empfindlich. Nun hatte ich beide Segel einfach fest eingestellt, die Schoten an einen Haken getüdelt. Vorne und hinten irgendwo bei 30 Grad. Irgendwo zwischen halb und dicht. Damit kannst Du alle Kurse fahren, aber nicht optimal.
Du kommst nicht so hoch an den Wind, aber Aufkreuzen geht. Halbwind (Wind von der Seite) geht ganz gut. Dafür stehen die Segel nur wenig daneben. Bei Wind von hinten fährt es auch, aber Du verschenkst viel Segelfläche.
Hermann, Du bist alt, Du hast Geld… das machst Du nicht!
Bei kleineren aber feineren Booten ist ein Segelverstellservo eingebaut. Beide Segel sind an dem Arm angeknotet, den Du gesehen hast. Je länger der Arm, desto größer der Verstellbereich. Aber das Servo muss nicht nur das Segel ziehen, wenn Wind drin ist. Die Leinen, Schoten, haben auch Reibung, laufen um die Ecke, durch eine Bohrung im Deck. Ich hatte eine Basic-Jolle mit einem Standardservo, das war zu schwach. Bei frischem Wind hat es bei Halbwindkursen einfach die Segel aufgemacht, hat das Servo aufgegeben. Heutzutage ein Thema des Servogetriebes. Es muss ja nicht schnell sein, nur Kraft haben. Für kleines Geld gibt es heute Standardservos, die 20 kg ziehen.
Meine Micro Magic hat ein Segelverstellservo und auch viele andere Boote, meistens unter 1 Meter. Das wäre mein Vorschlag für den ordentlichen Einstieg.
Bei größeren Booten, z.B. meine IOM (International One Meter), ist dann eine Segelwinde eingebaut. Im Prinzip ein Segelverstellservo, aber ohne Arm. Da sitzt eine Trommel drauf, die wickelt die Schoten auf und ab.
Übertreiben kann man da auch, ist ja klar... manche Boote haben die Verstellung für Groß und Focksegel getrennt. Noch weniger Kompromisse, aber mehr zu steuern.
Mein High-End-Edel-M-Boot, eine Skalpel von Janusz Walicki, hat zur gleichzeitig schnellen und kraftvollen Segelverstellung eine Brushless-Segelwinde eingebaut. Die spielt ein kurzes "Tüdelüt" beim Einschalten.
Dann wissen die anderen am See: Achtung, der Chef kommt!
Man gönnt sich ja sonst nichts...
Die Skalpel habe ich vor vielen Jahren bei einem Profisegler gegen ein Segelflugzeug eingetauscht. Damals lebte Janusz Walicki noch. Da konnte man die Boote hinschicken und er hat den automatischen Fockwender geserviced und eingestellt. Der sitzt vorne am Bug in einem edlen Metallgehäuse, voll kugelgelagert, mit Federn betätigt wie ein Schweizer Uhrwerk. Sorry, polnisches Uhrwerk. Das ist meines Wissens einzigartig.
Wenn die Skalpel genau vor dem Wind läuft stehen ja vom vorherigen Kurs meistens beide Segel auf einer Seite. Wenn man die Segel nun ganz aufmacht, zuppelt eine kleine Leine über dem Vordeck vorne am Fockwender, löst innen einen Hebel aus und eine vorher beim Segeln gespannte Feder zieht die Fock auf die gegenüberliegende Seite. Durch weitere Leinen weiß die Mechanik im Fockwender genau auf welcher Seite dass hintere Segel steht. Unglaublich!
Das hat Janusz Walicki entwickelt und gibt der Skalpel beim "Vor Wind Kurs" einen entscheidenden Vorteil, deutlich mehr Segelfläche. Fürs Hobbysegeln habe ich die Leine zum Fockwender locker und fahre ganz normal. Aber ich kann sie spannen, einstellen und es funktioniert. Wie das genau geht, weiß nur Janusz Walicki und der ist leider verstorben. Sein Aufkleber mit Telefonnummer klebt noch auf dem Boot. Das gefällt mir, da hänge ich dran! Unverkäuflich!
Ich guck mal, ob ich Bilder habe...
Hoffentlich nicht zu viel gelabert? Es grüßt der Thomas